… ist eigentlich (rückblickend) gar nicht so kompliziert, wie Wikipedia tut. Natürlich war die berühmt-berüchtigte Online-Enzyklopädie meine erste Wahl als Quell des Wissens. Und ich habe mich auch ganz brav durch die verschiedenen Artikel geackert, bis ich endlich gewappnet war – nicht unbedingt für das freihändige Fotografieren, aber immerhin für die Diskussionen mit den Profis meiner Fotocommunity. DER Fotocommunity.
Und dann, eines schönen Tages, kam da ein netter älterer Herr in unser Forum gestolpert und stellte Fragen. Anfängerfragen. Ganz unschuldig und unbedarft. Warum der wunderschöne Forsythienstrauch trotz automatischer Belichtung so fad aussah? Wie man das denn so hinkriegt mit dem unscharfen Hintergrund und so? Und überhaupt, wie das dann mit dieser Verschlußzeit zusammenhing… Und hilfsbereit, wie FCler so sind, bekam er natürlich auch prompt sehr durchdachte, sehr umfassende und sehr wissenschaftliche Antworten. Die er aber trotz besten Willens nicht begriff. Und er fragte wieder. Mit anderen Worten, aber gleichem Inhalt.
Die Antworten wurden kürzer und ungeduldiger, aber nicht unbedingt verständlicher. Also überlegte ich, ob man es denn mit anderen Worten oder bildhafteren Vergleichen ausdrücken konnte. Und während ich so überlegte, geschah etwas Erstaunliches. Zum ersten Mal begriff ich tatsächlich, was hinter dem angelernten Wissen steckte. Denn im Grunde genommen geht es bei der ganzen vertrackten Belichterei nämlich immer nur um einen Punkt – wie kombiniere ich die verschiedenen Einflüsse so, daß ich für mein Bild die passende Dosis Licht einsammle?
Ich sage ganz bewußt die passende Dosis, denn DIE richtige, allgemeingültige Menge gibt es leider nicht. Der „Low Key“ Erotik-Künstler hat da wahrscheinlich andere Bedürfnisse als der Handwerker, der Produkte für einen Katalog fotografiert. Und der Modefotograf, der am sonnigen Strand ablichtet, hat eine andere Intention als der Landschaftsfotograf, der unter der gleichen Sonne arbeitet.
Also, die erste Frage lautet: Wieviel Licht brauche ich?
Das hängt nämlich von meinem Ziel ab – möchte ich bestausgeleuchtete Details zeigen (Katalog) oder schummrig-schöne Szenen (Lagerfeuer)? Hell oder dunkel?
Habe ich das geklärt, stelle ich mir die zweite Frage: Mit welchen Einstellungen nutze ich dieses Licht am besten?
Da wäre zunächst einmal die ISO – die Empfindlichkeit. Die kann man sich wie eine Art Verstärker vorstellen, mit der man das Licht „lauter“ dreht. Und so wie ein Lautsprecher ab einer bestimmten Dezibelgrenze das Kratzen anfängt, so beginnt der Sensorchip in der Kamera zu „rauschen“. Was das ist, versuche ich später zu erklären. Früher, als die Bilder noch auf Zelluloid gebannt wurden, hieß dieser Zustand übrigens „Korn“, war mitunter gewünscht und verlieh dem Bild sogar eine authentische Note. Heute lässt das potentielle Rauschen die Pixelfetischisten fast in Panik ausbrechen. Bezüglich meiner Kamera kann ich aber zum Glück sagen, bis mindestens 1600 ASA merk ich nix. Und das ist – verglichen zum Beispiel mit den früher üblichen 400 ASA bei Zelluloid – eine Hausnummer, die man sich mal auf der Zunge zergehen lassen sollte! Für das aufgenommene Licht gilt jedenfalls:
Doppelte ISO halbiert die notwendige Lichtmenge.
Ungefähr so, wie ein sparsames Turbodieselchen mit dem höheren Ladedruck nur die Hälfte Sprit für die gleiche Strecke braucht (oder weniger), verglichen mit einem durstigen Muscle Car. Wobei letzteres mitunter mehr Spaß macht. Was mich von der schnellen Rundenzeit zur zeitlichen Komponente der Lichtbildnerei bringt – der Verschlußzeit.
Grad so, wie ich bei halbem Wasserdruck den Wasserhahn doppelt so lange offen halten muß, um den Wassereimer zu füllen, gilt auch hier:
Die einfallende Lichtmenge verdoppelt sich bei doppelter Verschlußzeit.
Aber… die Bildwirkung kann eine ganz andere sein! Während ich mit einer sehr kurzen Verschlußzeit eine Bewegung regelrecht einfriere – den fallenden Wassertropfen zum Beispiel oder das Rallye Car, das über die Kuppe hüpft – kann ich mit einer längeren Verschlußzeit die Dynamik einer Bewegung darstellen. So wird aus den fallenden Wassertropfen am Wasserfall ein weißer, verträumter Schleier im Feenwald. Und erst dank der leicht verschwommenen Konturen des Ford Focus WRC begreift der Bildbetrachter, daß da kein Langsamer durch die Weinberge kachelt (dem ich dann wahrscheinlich entrückt mit weit aufgerissenen, leuchtenden Augen hinterher schaue).
… was mich zur letzten Stellschraube bringt – der Blendenöffnung, meistens kurz Blende genannt.
Denn vorstellen kann man sich selbige durchaus so ähnlich wie die Iris des menschlichen Auges (Ich entschuldige mich besser gleich mal im Voraus bei allen Biologen und Medizinern für die unsachliche Beschreibung…):
Wenn es draußen hell ist, zieht sich die Iris zusammen und die Pupille wird ganz klein. Die geringe Lichtmenge, die dabei noch durchgelassen wird, schont dann auch den Morgenmuffel, dem das sommerlich helle Sonnenlicht noch zu viel des Guten ist.
Ist es dagegen dunkel, weitet sich die Iris und die entstandene Lichtöffnung lässt mehr Licht hindurch, zum Beispiel um eventuell kreuzende Rehe des Nachts auf der gewählten Ideallinie erkennen zu können. Was dem Reh manchmal auch nicht mehr hilft. Oder dem Autofahrer. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.
Ähnlich verhält es sich mit der Blendenöffnung, nur daß diese nicht wie die Iris aus einer Art Muskelgewebe besteht, sondern aus vielen, genau berechneten, im Kreis angeordneten Lamellen, die bei Bedarf enger zusammenrücken. Die Blende ist bei einer Kamera mit Wechselobjektiven Teil des Objektivs. Unterteilt werden die sogenannten Blendenstufen in einer so genannten Blendenreihe. Die größte Blendenöffnung (Aufpassen: Kleinste Blendenzahl!) bezeichnet dabei gleichzeitig die sogenannte Lichtstärke eines Objektivs. Die Blendenzahl ist eigentlich der Kehrwert 1/k vom Verhältnis Brennweite/Blendenöffnung, wobei die Blendenöffnung dem Durchmesser der „Pupille“ entspricht. Daher wird sie auch meist als „f/…“ geschrieben (aber als „Blende …“ gesprochen). Ja, Fotografen sind irgendwie anders. Mathematisch jedenfalls bedeutet das bei einer gleichbleibenden Brennweite (Teiler), daß die Blendenzahl kleiner wird, wenn die Blendenöffnung (Nenner) größer wird. Eine einfache Blendenreihe mit einer ganz passablen Lichtstärke wäre zum Beispiel:
– 2,8 – 4 – 5,6 – 8 – 11 – 16 – 22 –
Die putzigen Zahlen kommen zustande, indem man für eine Blende den Vorgängerwert näherungsweise mit √2 multipliziert, also zum Beispiel 4 = 2,8 x √2 (Die Berechnung der Kreisfläche läßt grüßen.). Abhängig von Kamera oder Objektiv kann diese Reihe noch erweitert werden, durch halbe oder Drittelstufen.
Und damit wären wir auch schon beim komplizierten Teil, der Lichtmenge. Denn anders als bei ISO oder Verschlußzeit wird die einfallende Lichtmenge bei verdoppelter Blendenzahl nicht etwa auch verdoppelt! Nee, das wäre zu einfach. Hier gilt nämlich:
Die einfallende Lichtmenge halbiert sich mit der nächsthöheren Blendenzahl!
Doch die einfallende Lichtmenge ist nur die halbe Miete bei der Bildgestaltung, denn auch die optische Wirkung ändert sich: Vereinfacht gesagt, je kleiner die Blendenzahl, desto unschärfer der Hintergrund. Das nennt sich freistellen. Umgekehrt, je höher die Blendenzahl, desto schärfer wird das ganze Bild. Meiden sollte man dabei die kleinste und die größte Blendenzahl, da dort die Abbildungsqualität wieder schlechter wird. Warum das so ist, dazu komme ich vielleicht später mal (wenn ich es denn selbst endlich begriffen habe… ). Bis dahin gilt: „Is so!“
Das alles sollte man so ganz grob im Hinterkopf haben, wenn man sich die eingangs gestellte Frage frägt: Wie mache ich das Beste aus dem vorhandenen Licht?
Merke:
Bei wenig Licht: ISO höher, Verschlußzeit länger, Blendenzahl kleiner
Bei zuviel Licht: ISO tiefer, Verschlußzeit kürzer, Blendenzahl höher, Graufilter (aber das ist eine andere Geschichte)
Na dann, viel Spaß beim Ausprobieren!